Seit Monaten sammeln wir Falschmeldungen über angeblich kriminelle Flüchtlinge, die im Internet kursieren. Man möchte denken, dass es wie bei „Stille Post“ wäre und Kleinigkeiten zu großen Gerüchten aufgebauscht werden. Aber wie einige vorsätzliche Fälschungen zeigen, scheint etwas ganz anderes dahinter zu stecken. Wie jetzt auch ein Naziaussteiger berichtet, ist es eine Strategie von Neonazi-Terrorzellen, mit diesem Mittel die Stimmung so zu beeinflussen, bis sie irgendwann kippt.
In der Wanderausstellung „Weiße Wölfe“, die 2016 Koeppenhaus in Greifswald gezeigt wurde, wird gut dargestellt, dass viele Neonaziorganisationen versuchen, einen Aufstand zu provozieren. Dazu sollen auch Einzeltaten beitragen, die breit kommuniziert werden sollen, um als Vorbild für weitere Nachahmer zu dienen, was dann wieder andere motiviert, auch aktiv zu werden(Kommunikation der Tat).
Bei der enormen Zahl brennender Flüchtlingsunterkünfte kommt das Gefühl auf, dass die braune Saat, die auch im NSU zu Ausdruck kam, aufgeht und wild wuchert. Die rechte Szene sieht sich durch ihre Verbindungen zur organisierten Kriminalität in der Rockserszene auch gut gerüstet für solch eine Auseinandersetzung und wartet nur darauf, dass es endlich losgeht.
Das wissen auch die rechten Demagogen in AfD, Pegida und anderen Initiativen mit zum Teil verharmlosenden Bezeichnungen. Sie warnen vor einem Bürgerkrieg, wenn es so weiter gehe. Wenn die AfD so etwas sagt, kann das auch als Drohung aufgefasst werden. Denn wenn sie weiter mit Lügen die Stimmung anheizt, sogar einen heißen Herbst prophezeit und sagt, sollte die Regierung nicht die Flüchtlingspolitik ändern, müsse man die Dinge selbst in die Hand nehmen, bedient sie damit genau diese Strategie der Rechtsterroristen. Gemeinsame Auftritte auf Demonstrationen und zunehmende personelle Überschneidungen sind kein Zufall. Hier wird nicht einfach wahllos gezündelt, sondern gezielt mit Flammenwerfern versucht, ein Land in den Ausnahmezustand zu versetzen.
Die Vorstellung der Selbstermächtigung „des Volkes“ gegen den Willen derer „da oben“, gegen die „kriminellen Horden“ aus dem Ausland und die „Gutmenschen“, die durch ihre „Weichheit“ die Zukunft zerstören, wird zu einer großen einheitlichen Erzählung entwickelt, um so ein Ziel des Kampfes bieten zu können.
Zum Glück ist „das Volk“ nicht so geeint, wie es von rechten Demagog*innen selbst propagiert wird.
Wir erleben eine Gemengelage aus Dummheit, Geiz und böswilliger Absicht. Wenn etwa Herr Höcke (AfD) selbst zugibt, dass er sich Fakten aus der Kriminalitätsstatistik einseitig so zurechtlegt, um sie gegen Flüchtlinge verwenden zu können und um die Vorurteile seines Publikums zu bedienen, ist Absicht offensichtlich. Wenn zugleich einem heißem Herbst das Wort geredet wird und Selbstermächtigung gefordert wird, ist das aber auch Ausdruck dessen, dass gesellschaftliche Mehrheiten auf legalem Wege nicht erreicht werden können. Statt dassen sollen Lügen, Hass und Gewalt als Druckmittel in der Öffentlichkeit aufgebaut werden und rechter Terrorismus als Volksmärtyrertum verharmlost werden.
Es geht heute nicht mehr darum, nur den Anfängen zu wehren. Aber wir haben die Möglichkeiten, Fehler zu korrigeren und die Chance, politisch auf diese rechtsradikalen Bewegungen zu reagieren. Verbote solcher Organisationen sind nicht gegen die Meinungsfreiheit gerichtet, im Gegenteil, sie erhalten sie. Es geht darum, diesen Menschen die Plattform zu entziehen, von der aus sie flächendeckend ein größeres Publikum erreichen und zu Hass und Gewalt aufrufen können. Duie Verbreitung von Hassparolen darf nicht durch die Parteifinanzierung gestärkt werden, darf nicht ständig unwidersprochen zitiert werden. Faschismus ist und bleibt keine Meinung, egal in welchem Gewand er daherkommt. Das Gewaltpotenzial von rechts wurde immer heruntergespielt. Wer jetzt nichts dagegen unternimmt, ist für die Folgen und Taten mitverantwortlich. Nur wenn die Mehrheit Rechtsradikale und rechte Gewalt als solche auch bezeichnet und ihre Demagogie nicht weiter duldet, haben wir eine Chance. Wegducken bringt nichts.